Was steckt hinter der Aktion #AufdenTischhauenfürHebammen?

MUM, Medien

Stefanie Staiger

Am 26. Juni 2017 startete die Internet-Aktion #AufdenTischhauenfürHebammen, die inzwischen über 1,5 Millionen Menschen erreicht hat. Wir haben mit der Initiatorin Sonja Liggett-Igelmund gesprochen.

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Sonja Liggett-Igelmund hat in Ghana ein Geburtshaus aufgebaut (Foto: Meeting Bismarck e.V.)

Die berufliche Situation der Hebammen in Deutschland ist mehr als bedenklich. Die Arbeitsbedingungen sind zum Teil katastrophal, die Bezahlung entspricht nicht der Verantwortung, die Belastung ist hoch und die Leidtragenden sind am Ende die Mütter und ihre Babys, die nicht mehr umfassend betreut werden können. Sonja Liggett-Igelmund, Hebamme aus Köln, hat in den letzten sechs Jahren eine Geburtsstation in Ghana aufgebaut. Am 9. Juni 2017 war sie zu Gast in der WDR-Sendung „Kölner Treff“ und hat dort nicht nur über ihre Arbeit in Afrika, sondern auch über die prekäre Situation ihres Berufsstandes in Deutschland berichtet. Wir haben mit ihr über die Sendung und die Aktion #AufdenTischhauenfürHebammen gesprochen.

Luna mum: Wie kam die Aktion #AufdenTischhauenfürHebammen zustande?

Sonja Liggett-Igelmund: Ich war am 9. Juni zu Gast in der WDR-Sendung „Kölner Treff“ bei Bettina Böttinger, um über meine Arbeit als Hebamme in Ghana und die Dokumentation darüber zu sprechen. Ebenfalls zu Gast in der Sendung war die Schauspielerin Hannelore Hoger, die mich spontan gefragt hat, wie es um die Situation der Hebammen in Deutschland bestellt ist. „Was sagen Sie dazu, dass ihr wichtiger Beruf hier in Deutschland so vernachlässigt wird? Sind sie deshalb aus Deutschland geflohen?“ war ihre Frage. Meine Antwort war: „Was hier mit meinem Berufsstand passiert, ist eine Katastrophe. Und es ist vor allem eine Katastrophe für alle Frauen. Ich kann in Ghana eine Geburtsstation aufbauen, und hier wird alles abgebaut und kaputt gespart“ Das war quasi der Anstoß. Wir haben hier in Deutschland Hebammen, die völlig überlastet sind, die sich bei schlechter Bezahlung im Schichtdienst arbeiten, die zu wenig Zeit haben, um den Frauen im Kreißsaal gerecht zu werden. Das Problem liegt bei den Krankenkassen, die eine Geburt bezahlen wir eine Blinddarm-OP. Eine Geburt ist aber keine schnelle Operation, sondern ein Prozess, der über Stunden dauern kann und eine intensive persönliche Betreuung braucht. Und dafür gibt es keine Zeit und kein Geld. Um auf diesen Missstand aufmerksam zu machen war die Sendung eine wunderbare Plattform – und so hat das angefangen. Von Hannelore Hoger stammt auch das Zitat: „Dann hauen wir jetzt alle auf den Tisch für Hebammen!“

Hätten Sie gedacht, dass die Aktion solche Kreise zieht?

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Bei ihrer Arbeit wurde sie von einem Kamerteam begleitet (Foto: Meeting Bismarck e.V.)

Nein, das hat mich selbst auch überrascht. Ich war am Freitag, den 9. Juni zu Gast beim „Kölner Treff“.  Am 23. Juni haben wir einen ersten Clip für Frau TV gedreht. Am Sonntag darauf, den 25. Juni, war ich zu Gast in Freiburg, wo ich einen Vortrag vor werdenden Hebammen gehalten habe. Dort ist dann ein weiteres Video entstanden. Am 26. Juni haben wir beides hochgeladen, und jetzt gab es am 30. Juni auch noch einmal einen Beitrag zur Aktion bei Frau TV in der letzten Sendung vor der Sommerpause. Seitdem haben wir mehr als 1,5 Millionen Menschen erreicht. Und es geht immer noch weiter! Viele Prominente, aber auch ganz viele andere Menschen haben inzwischen mitgemacht und Videos gepostet, die anfangen mit dem Satz „Es kann nicht sein, dass…“ und die damit unsere Aktion unterstützen.

Dann tun wir das hier nun auch und bitten Sie, ein paar Sätze zu formulieren: „Es kann nicht sein, dass…

– Frauen bei der Geburt allein gelassen werden, weil die Hebammen im Schichtdienst am rotieren sind und nicht genügend Zeit für die Gebärenden haben

– werdende Mütter bereits in der Schwangerschaft Mühe haben, überhaupt eine Hebamme zu finden, weil die, die den Beruf noch ausüben, komplett überlastet sind

– ein so wichtiger und wertvoller Beruf bezahlt wird wie ein Hobby

– 40 Prozent der Kreißsäle in den Krankenhäusern in den letzten Jahren schließen mussten

– Geburten über Gebühr hoch mit Versicherungssummen belastet werden, aber die Hebammen am Ende des Monats mit einem Lohn nach Hause gehen, der nicht der hohen Verantwortung Rechnung trägt

– der Job im Kreißsaal so anstrengend ist, dass man ihn nur in Teilzeit ausüben kann und die Hebammen so in die Altersarmut rutschen

– Geburten nach dem DRG-System bezahlt werden und diese Pauschale nicht der Zeit und Zuwendung entspricht, die eine Geburt braucht

– Frauen mit der Geburt Angst gemacht wird

– es zu wenig Urlaubsvertretungen bei niedergelassenen Gynäkologen gibt und die Hebammen die ambulanten Aufgaben im Krankenhaus mit übernehmen müssen

– die gebärenden Frauen zu wenig im Fokus stehen

Und so könnt ihr die Aktion #AufdenTischhauenfürHebammen unterstützen:

Video drehen mit dem Satz „Es kann nicht sein, dass…“ und dabei auf den Tisch hauen. Clip bei Facebook oder YouTube hochladen und mit dem Hashtag #AufdenTischhauenfürHebammen versehen.

Der dritte Teil der Reportage „Eine Hebamme verändert die Umstände“ von Marika Liebsch, der die Arbeit von Sonja Liggett-Igelmund in Ghana dokumentiert, lief am Montag, den 03.07.2017, WDR. Ihr könnt sie euch noch in der Mediathek ansehen.

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